Sihlquai bleibt - die Häuser denen, die drin leben!
Im November 2020, mitten in der Coronapandemie, kündigt Coop den langjährigen Mieter*innen der Häuser Sihlquai 280 und 282 im Zürcher Kreis 5 die Wohnungen. Geplant sind Totalsanierung und komplette Umnutzung zu Büros und Labors für die zur Coop-Gruppe gehörende Swissmill. 25 Menschen müssen ihr Zuhause verlassen, darunter Familien mit Kindern und Menschen im Rentenalter, die teils 30 Jahre dort gelebt haben. Auch eine kleine Quartierschreinerei ist betroffen. Als Alternative macht Coop einzelnen Bewohner*innen ein Angebot im Letzipark Altstetten zu einem mehrfach höheren Mietpreis, den die Betroffenen gar nicht finanzieren können! Inzwischen steht der Grossteil der Wohnungen leer.
Die (Ex-)Mieter*innen organisieren sich und lancieren die Kampagne Forever Sihlquai. Sie werden in den sozialen Medien aktiv, drucken Plakate, holen sich juristische Unterstützung und sammeln in einer Petition gegen die Kündigung fast 10'000 Unterschriften. Ende April 2021 übergeben sie diese dem Geschäftsführer von Swissmill. Doch die Forderungen der (Ex)Mieter*innen stossen sowohl bei Coop als auch beim Stadtrat auf taube Ohren.
Anfang Mai involviert Coop hinter dem Rücken der Mieter*innen die Zwischennutzungsfirma Intermezzo Houses AG, welche einzelne Zimmer in den bereits leerstehenden Wohnungen für bis zu 60% mehr als des ursprünglichen Mietpreises ausschreibt. Sowohl für die vertriebenen als auch für die verbliebenen Bewohner*innen ist dies ein Schlag ins Gesicht: Die Räume, in denen sie ein halbes Leben verbracht haben und für die sie gekämpft haben, werden nun zu Wucherpreisen zur Zwischennutzung angeboten.
Am 9. Mai 2021 werden die Häuser besetzt. Zu Musik, Reden und Feuerwerk wird während einer Kundgebung mit mehreren hundert Menschen der Wohnraum zurückgeholt. Bunte Transparente mit kämpferischen Parolen hängen an der Fassade. Doch schon am nächsten Morgen räumt ein riesiges Polizeiaufgebot die Liegenschaften. Passant*innen werden kontrolliert und weggewiesen. Eine Sicherheitsfirma wird mit der Bewachung der Gebäude beauftragt.
Das Beispiel Sihlquai zeigt, dass für einen attraktiven Wirtschaftsstandort preiswerter Wohnraum vernichtet wird und Mieter*innen vertrieben werden. Soziale Netze und nachbarschaftliche Zusammenhänge zerreissen. Kinder, Jugendliche, Arbeiter*innenfamilien, migrantisierte und ältere Menschen werden in Aussenquartiere, in unsichere Mietverhältnisse oder ganz aus der Stadt gedrängt.
Für die Besitzenden, wie in diesem Fall das international agierende Grosshandelsunternehmen Coop, lassen sich aus Boden und Immobilien maximale Profite schlagen. Das ehemalige Arbeiter*innenquartier Kreis 5 wurde in den letzten
30 Jahren massiv aufgewertet. Industriebetriebe wurden in die Agglomeration verlegt, ehemalige Industrieareale mit teuren Wohnüberbauungen überzogen und hunderte Häuser luxussaniert.
Zwischennutzungen hebeln das Mietrecht aus, prekarisieren das Wohnen und sollen Besetzungen verhindern. Menschen, die dringend auf günstigen Raum angewiesen sind, finden häufig nur noch befristete Angebote. Spezialisierte Unternehmen,
wie beispielsweise die Intermezzo Housing AG, arbeiten Hand in Hand mit Immobilienunternehmen und streichen Millionen ein.
Die Stadt Zürich unterstützt und fördert die neoliberale kapitalistische Stadtentwicklung. Den Mieter*innen des Sihlquais zeigt der Stadtrat die kalte
Schulter; zur Unterstützung der Coop-Gruppe schickt die Stadt Robocops mit Räumungsbefehl und Schlagstöcken.
Aufwertung in Altstetten – Rede an der Kundgebung auf dem Lindenplatz «Wem gehört Altstetten?» 22.8.2020
Wir stehen hier auf dem Lindenplatz, mitten in Altstetten, dem grössten Quartier der Stadt Zürich. Hier leben rund 30'000 Personen, und ein grosser Teil der Menschen hier sind Arbeiter*innen und Angestellte mit einem Einkommen unterhalb des Zürcherischen Durchschnitts und ohne Vermögen. Hier wohnen viele Familien, viele alleinerziehende Frauen*, viele migrantische Menschen, viele Kinder und Jugendliche und viele ältere Personen.
Gemäss dem kommunalen Richtplan des Hochbaudepartements der Stadt Zürich für das Jahr 2040 gilt Altstetten als eines der Gebiete in Zürich, welches sich besonders gut «für eine qualitätsvolle bauliche Verdichtung» eignen würde. Altstetten habe gemäss dem Richtplan «ein grosses Erneuerungspotenzial in der Bausubstanz» sowie verschiedene «Plätze mit dem Potential sich in identitätsstiftende Quartierzentren verwandeln zu lassen mit vielen attraktiven Ladenpassagen und Konsummöglichkeiten».
Nun, was heisst das konkret? Konkret heisst das: Aufwertung, Verdrängung, Ausgrenzung und Repression.
Konkret heisst das, dass billige Wohnungen verschwinden und teure Wohnungen gebaut werden. Bereits jetzt sind alle ehemaligen grossen Industrieareale in Altstetten an global agierende Banken und Konzerne wie die UBS, die CS oder die Mobimo verkauft und verschiedene teure Überbauungen wie der Westlink Tower oder die Labitzke-Siedlung erstellt worden. Als Beispiel kostet eine 4,5 Zimmer Wohnung im Westlink-Tower ohne Nebenkosten 4000 Franken, zusätzlich muss eine Mietkaution von über 11’000 Franken hinterlegt werden. Solche Wohnungen können sich die meisten Menschen, die jetzt in Altstetten leben, nicht leisten und müssen deshalb woanders hinziehen. Häufig finden sie nur noch eine Wohnung mit einem befristeten Mietvertrag oder eine ausserhalb der Stadt. So verlieren sie neben ihrer Wohnung auch
ihre sozialen Netze und nachbarschaftlichen Zusammenhänge, die Arbeitswege werden länger, sie haben weniger Freizeit und die Lebensqualität nimmt ab.
Die geplante Aufwertung nimmt den Menschen, die jetzt hier leben, ihre Lebensräume weg und verteilt sie um an reichere Bewohner*innen. Diese haben das Geld und die Zeit, um sich den Konsum in den
zukünftigen Ladenpassagen und hippen Cafés und Restaurants zu leisten. Die im Richtplan der Stadt Zürich geplanten «identitätsstiftenden Quartierzentren» werden eine bürgerliche Identität haben. Sie werden normiert, diszipliniert und Video überwacht daherkommen. Und wer sich nicht anpasst und konsumiert, hat dort nichts verloren.
Aber bis 2040 kann noch viel passieren. Und wie viel in kurzer Zeit passieren kann, haben wir gerade in den letzten Monaten miterlebt. Heute stehen wir hier und wehren uns gegen Aufwertung und Verdrängung in Altstetten. Denn wir haben eine andere Vision von Stadt. Wir wollen eine Stadt, die nicht der
kapitalistischen Logik von Profit, Konsum und Vereinzelung folgt, sondern eine Stadt von und für die Leute, die hier leben und arbeiten.
Deshalb schliessen wir uns zusammen und wehren wir uns gegen Kündigungen und teure Grossüberbauungen. Wehren wir uns gegen normierte, kontrollierte und konsumorientierte Quartiere.
Erkämpfen wir uns selbstorganisierte gemeinschaftliche Räume wie beispielsweise die Besetzung an der Grimselstrasse und verteidigen wir diese Räume gegen Aufwertung, Verdrängung und Repression.
Vernetzen wir unsere Kämpfe mit anderen Menschen und mit anderen Initiativen und Kämpfen und
werden wir mehr und mehr.
Wir wollen die Häuser, die Stadt, den Boden. Für alle.
Oisi Stadt, oisi Quartier!
Aufwertung in Wiedikon
Der Kreis 3 und insbesondere das Sihlfeld war bis vor einigen Jahren ein proletarisches Quartier mit Familienwohnungen und Wohnungen für Menschen, welche über ein geringes Einkommen verfügten.
Die ersten Anzeichen der Aufwertung waren im Quartier um den Idaplatz zu bemerken. Dies war sicher eine bewusste Planung im Wissen, dass die Weststrasse um 2010 verkehrsberuhig werden würde und somit auch die Immobilien und Wohnungen teurer vermietet oder verkauft werden konnten.
Ziemlich schnell wurde also der Idaplatz saniert und neu geplant. Die ansässigen Gastronomie-Betriebe, die Apotheke und der Bioladen mussten weg oder wechselten die Betreiber. Vermietet wurden die Lokale nun nicht mehr an die alteingesessenen Kneipenbetreiber, die preiswerte Mittagsmenu anboten. Vor kurzem fanden in Folge der Aufwertung auch Gastronomieketten wie das Lilys Einzug im Quartier.
Da der Idaplatz zunehmend Attraktivität ausstrahlte, wurde weiter aufgewertet. Die Besitzer haben Wohnungen saniert und viel teurer vermietet. Renoviert wurde teilweise nur von aussen, meistens wurden die Wohnungen aber verkleinert und teurer vermietet. Menschen mit geringem Einkommen oder grössere Familien fanden so keinen Platz mehr in diesem ehemaligen Arbeiterquartier und wurden in günstigere Randsiedlungen der Stadt verdrängt.
Die Realitäten zwischen den wenig Verdienenden und viel Verdienenden prallen nun gegeneinander. Diese Veränderungen bekam schlussendlich auch die ansässige Anlaufstelle für Flüchtlinge zu spüren. Da sich die neu zugezogene Bevölkerung angeblich an den Warteschlangen der Flüchtlinge störte, musste die Anlaufstelle ebenfalls wegziehen. Dass nun ein paar Meter weiter im Frühling die Gelateria di Berna aufging, wo die Leute für ein Glacé rund 45 Minuten anstehen müssen, dagegen stört sich dann plötzlich niemand mehr.
Wir wollen keine Aufwertung im Sinne der Profitmaximierung! Wir wollen bezahlbare Wohnungen, welche sich Familien, Alleinerziehende, AHV- und IV- RenterInnen und Studierende leisten können!
Züri West / Industriequartier
Industriequartier ohne Arbeiter*innen
Zürich West war schon vieles: Industriegebiet, dann Brache, dann Zwischennutzung, Freifäche, Experimentierraum, „West End“. Heute ist es ein zu Tode entwickeltes, langweiliges, steriles, teures Gebiet mit viel Bürofäche und überteuerten Wohnungen. Diese Entwicklung verlief enorm schnell. Die Arbeiter*innenkultur ging verloren. Das Potential für das Quartier wurde verschenkt.
Im 19. Jahrhundert siedelte Industrie an der Limmat und den Gleisen an, Arbeiter*innensiedlungen wurden in der Nähe gebaut. Nach etwa 100 Jahren Industriebetrieb verschwanden mit der Deindustrialisierung in den späten 1970er Jahren viele Arbeitsplätze aus der Stadt. Die brach liegenden Areale wurden in den 80ern durch informelle Nutzungen zu neuem Leben erweckt. Im Steinfels Areal gab es den „Glace-Garten“, das Schoeller-Areal war Experimentierraum, in der Toni-Molkerei entstanden Clubs, kleine Läden und Handwerker*innen siedelten an. In den 90ern entschied die Stadt, das Gebiet zu „entwickeln“. Eine erhöhte Ausnützung wurde möglich, die Bodenpreise vervielfachten sich. Günstig verkauftes Industrieland wurde zur teuren Wohnzone. Vereine wie „Kulturmeile Zürich West“ stiessen Projekte an, welche den Ort aufwerten sollten. Die grössten Immo-Firmen wie Mobimo, Allreal und SPS überbauten einen Grossteil des Gebietes neu, liessen abreissen, und schöpften hohe Renditen ab. Wie immer gaben sie dafür absolut nichts zurück, weder fnanziell, noch qualitativ. Im Gegenteil, die Stadt zahlte ihnen noch die Infrastruktur. Mit teuren Eigentums-Wohnungen wie im Mobimo-Tower und teuren Mietwohnungen wie die Escher-Terrassen (Miete Attika-Wohnung 12'735.-/Monat) wurde ein Klientel angezogen, das es an dem Ort so zuvor noch gar nicht gab. Die teuren Wohnungen konnten nicht alle verkauft und vermietet werden und stehen teilweise leer, andere dienen als Zweitwohnsitz (steuerfrei), viel Bürofäche steht leer, das Gebiet ist nicht mehr beliebt bei Ausgehenden. Das Quartier, besser das „Entwicklungsgebiet“, wurde tot.
Der Versuch, mit der ZHdK auf dem Toni-Areal das „Kreative“ im Quartier zu betonen und es zu beleben, scheiterte. Entstanden ist ein introvertierter Kunst-Palast.
Im Viadukt hausten früher die „Bananen-Zentrale“, Steinhauer*innen und Automechaniker*innen in einfachen Einbauten in den Bögen, heute können in hochwertigen Einbauten Velos für 2'000.- und Jacken für 1'000.- eingekauft werden. So gleichförmig, teuer und durch-gestylt wie die Bögen gibt sich das ganze Quartier. Vieles was die Brachen zu beleben begann wurde mittlerweile vertrieben. Und damit auch die Bewohner*innen, welche diese Strukturen nutzten. Die neue Bewohnerschaft, die sich das leisten kann, hat nichts mit Stadt zu tun, und ganz sicher nichts mehr mit den Arbeiter*innen, deren Quartier dies früher war.
Zürich West liegt in vielen Punkten über dem Stadt Zürcher Durchschnitt: Anteil Eigentumswohnungen (58% / 7%), Wohnfächenverbrauch pro Person (80m2 / 40m2), Einkommen pro Person (entspricht dem am Zürichberg), durchschnittlicher Mietzins (2'370.- / 1'590.-). Es zeigt aber das Vorgehen in ganz Zürich auf: Freie Flächen werden schnellstmöglich mit Renditeobjekten zugebaut, Freiräume durchgeplant und überdesignt. Dem Markt wird freien Lauf gelassen, Menschen und ihre Strukturen sind dem ausgeliefert und müssen weichen.
Überlassen wir die Entwicklung unserer Stadt nicht dem Markt! Holen wir uns Freiräume, die von allen genutzt werden können!
Zürich West war schon vieles: Industriegebiet, dann Brache, dann Zwischennutzung, Freifäche, Experimentierraum, „West End“. Heute ist es ein zu Tode entwickeltes, langweiliges, steriles, teures Gebiet mit viel Bürofäche und überteuerten Wohnungen. Diese Entwicklung verlief enorm schnell. Die Arbeiter*innenkultur ging verloren. Das Potential für das Quartier wurde verschenkt.
Im 19. Jahrhundert siedelte Industrie an der Limmat und den Gleisen an, Arbeiter*innensiedlungen wurden in der Nähe gebaut. Nach etwa 100 Jahren Industriebetrieb verschwanden mit der Deindustrialisierung in den späten 1970er Jahren viele Arbeitsplätze aus der Stadt. Die brach liegenden Areale wurden in den 80ern durch informelle Nutzungen zu neuem Leben erweckt. Im Steinfels Areal gab es den „Glace-Garten“, das Schoeller-Areal war Experimentierraum, in der Toni-Molkerei entstanden Clubs, kleine Läden und Handwerker*innen siedelten an. In den 90ern entschied die Stadt, das Gebiet zu „entwickeln“. Eine erhöhte Ausnützung wurde möglich, die Bodenpreise vervielfachten sich. Günstig verkauftes Industrieland wurde zur teuren Wohnzone. Vereine wie „Kulturmeile Zürich West“ stiessen Projekte an, welche den Ort aufwerten sollten. Die grössten Immo-Firmen wie Mobimo, Allreal und SPS überbauten einen Grossteil des Gebietes neu, liessen abreissen, und schöpften hohe Renditen ab. Wie immer gaben sie dafür absolut nichts zurück, weder fnanziell, noch qualitativ. Im Gegenteil, die Stadt zahlte ihnen noch die Infrastruktur. Mit teuren Eigentums-Wohnungen wie im Mobimo-Tower und teuren Mietwohnungen wie die Escher-Terrassen (Miete Attika-Wohnung 12'735.-/Monat) wurde ein Klientel angezogen, das es an dem Ort so zuvor noch gar nicht gab. Die teuren Wohnungen konnten nicht alle verkauft und vermietet werden und stehen teilweise leer, andere dienen als Zweitwohnsitz (steuerfrei), viel Bürofäche steht leer, das Gebiet ist nicht mehr beliebt bei Ausgehenden. Das Quartier, besser das „Entwicklungsgebiet“, wurde tot.
Der Versuch, mit der ZHdK auf dem Toni-Areal das „Kreative“ im Quartier zu betonen und es zu beleben, scheiterte. Entstanden ist ein introvertierter Kunst-Palast.
Im Viadukt hausten früher die „Bananen-Zentrale“, Steinhauer*innen und Automechaniker*innen in einfachen Einbauten in den Bögen, heute können in hochwertigen Einbauten Velos für 2'000.- und Jacken für 1'000.- eingekauft werden. So gleichförmig, teuer und durch-gestylt wie die Bögen gibt sich das ganze Quartier. Vieles was die Brachen zu beleben begann wurde mittlerweile vertrieben. Und damit auch die Bewohner*innen, welche diese Strukturen nutzten. Die neue Bewohnerschaft, die sich das leisten kann, hat nichts mit Stadt zu tun, und ganz sicher nichts mehr mit den Arbeiter*innen, deren Quartier dies früher war.
Zürich West liegt in vielen Punkten über dem Stadt Zürcher Durchschnitt: Anteil Eigentumswohnungen (58% / 7%), Wohnfächenverbrauch pro Person (80m2 / 40m2), Einkommen pro Person (entspricht dem am Zürichberg), durchschnittlicher Mietzins (2'370.- / 1'590.-). Es zeigt aber das Vorgehen in ganz Zürich auf: Freie Flächen werden schnellstmöglich mit Renditeobjekten zugebaut, Freiräume durchgeplant und überdesignt. Dem Markt wird freien Lauf gelassen, Menschen und ihre Strukturen sind dem ausgeliefert und müssen weichen.
Überlassen wir die Entwicklung unserer Stadt nicht dem Markt! Holen wir uns Freiräume, die von allen genutzt werden können!
Grüne Gentrifizierung
Aufwertung in grün
Immobilieneigentümer*innen und die Stadtregierung argumentieren vermehrt ökologisch für ihre Aufwertungsprojekte. Hinter dem grünen Deckmäntelchen kommen jedoch die bekannten Mechanismen von Profitsteigerung, Standortwettbewerb und Verdrängung zum Vorschein.
Wenn sie im Namen von Nachhaltigkeit und Verdichtung öffentliche Räume und Siedlungen in Zürich erneuern, zeigt dies folgende Gesichter:
1. Öffentliche Grünräume und Verkehrsberuhigungen
Die Beruhigung der Weststrasse in Wiedikon hat Velowege und hübsche Begrünung mit sich gebracht. Die Stadtregierung wollte angeblich die Umgebung für die Anwohner*innen verbessern. Stattdessen wurde die proletarische Bevölkerung verdrängt. Im Quartier der einst dreckigen und lauten Weststrasse waren die Mieten tief. Von den neuen Velowegen profitieren aber hauptsächlich die Immobilienbesitzenden, die nun teure Sanierungen oder Neubauten durchsetzen. Das gleiche passiert bei der Aufwertung öffentlicher Parks wie dem Platzspitz. In den neuen, schicken Parks wird die Re- pression gegen alle verstärkt, die nicht ins aufgewertete Bild von oben passen. Schikanöse Polizeikontrollen und Videoüberwachung erschweren Obdachlosen, Drogenabhängigen, Jugendlichen, People of Colour, etc. den Zugang.
2. Veränderung der Angebote des Quartiers
Die Aufwertung tauscht neben den Bewohner*innen auch die Läden aus. Die Yuppies stehen auf nachhaltigen Konsum und Bioläden. Die ursprünglichen Bewohner*innen können sich nicht nur die Mieten sondern auch das Einkaufen in den teuren Läden immer weniger leisten. Dadurch müssen sie längere Wege zurücklegen.
3. Energetische Sanierungen und Ersatzneubauten
Durch Neubauten und Totalsanierungen soll Energie gespart und verdichtet werden. Gebäude können mit verschiedenen Öko-Labels zertifiziert werden, um das Nachhaltigkeits-Argument gezielt für Marketing und Wertsteigerung einzusetzen. Der Energieverbrauch pro Fläche nimmt zwar ab und die bauliche Dichte zu. Geschwiegen wird jedoch darüber, dass die neuen, reicheren Bewohner*innen halt viel mehr Wohnfläche pro Person beanspruchen. Schliesslich wird weder Energie gespart noch verdichtet. Obendrauf wird durch die Verdrängung noch mehr Verkehr erzeugt. Die Verdrängten werden zu Pendler*innen aus der Agglo. An Stelle der abgerissenen günstigen Mehrfamilienmietwohnungen stehen nun Liegenschaften mit einem höheren pro-Kopf-Energieverbrauch.
Pärke, Velowege und energieeffiziente Gebäude wären auch für uns angenehmer als Strassenlärm und Abgase, aber im Kapitalismus ist dies wenigen vorbehalten und uns generell kein gutes Leben zugedacht. Das Phänomen grüne Gentrifizierung ist Teil der aufkommenden sogenannten grünen Wirtschaft bzw. grünem Kapitalismus. Neoliberale Krisenlösungen der herrschenden Klasse funkti- onieren immer weniger. Grüne Investitionen verhelfen dem Kapitalismus zu neuen Akkumulati- onsmöglichkeiten und neuer Legitimation. Und gleichzeitig rechtfertigen sie auch die verstärkte Einschränkung des Proletariats.
Es geht hier also nicht nur um Umweltfragen, sondern um Klassenfragen. Lassen wir uns von Aufwertung mit einem vermeintlich grünen Anstrich nicht täuschen! Die Aufwertung von oben dient weder uns noch der Umwelt, sondern einzig ihrem Profit. Nachhaltige, lebenswerte Städte bekommen wir nur, wenn wir uns den städtischen Raum aneignen und die Gestaltung der Stadt selbst in die Hand nehmen.
Immobilieneigentümer*innen und die Stadtregierung argumentieren vermehrt ökologisch für ihre Aufwertungsprojekte. Hinter dem grünen Deckmäntelchen kommen jedoch die bekannten Mechanismen von Profitsteigerung, Standortwettbewerb und Verdrängung zum Vorschein.
Wenn sie im Namen von Nachhaltigkeit und Verdichtung öffentliche Räume und Siedlungen in Zürich erneuern, zeigt dies folgende Gesichter:
1. Öffentliche Grünräume und Verkehrsberuhigungen
Die Beruhigung der Weststrasse in Wiedikon hat Velowege und hübsche Begrünung mit sich gebracht. Die Stadtregierung wollte angeblich die Umgebung für die Anwohner*innen verbessern. Stattdessen wurde die proletarische Bevölkerung verdrängt. Im Quartier der einst dreckigen und lauten Weststrasse waren die Mieten tief. Von den neuen Velowegen profitieren aber hauptsächlich die Immobilienbesitzenden, die nun teure Sanierungen oder Neubauten durchsetzen. Das gleiche passiert bei der Aufwertung öffentlicher Parks wie dem Platzspitz. In den neuen, schicken Parks wird die Re- pression gegen alle verstärkt, die nicht ins aufgewertete Bild von oben passen. Schikanöse Polizeikontrollen und Videoüberwachung erschweren Obdachlosen, Drogenabhängigen, Jugendlichen, People of Colour, etc. den Zugang.
2. Veränderung der Angebote des Quartiers
Die Aufwertung tauscht neben den Bewohner*innen auch die Läden aus. Die Yuppies stehen auf nachhaltigen Konsum und Bioläden. Die ursprünglichen Bewohner*innen können sich nicht nur die Mieten sondern auch das Einkaufen in den teuren Läden immer weniger leisten. Dadurch müssen sie längere Wege zurücklegen.
3. Energetische Sanierungen und Ersatzneubauten
Durch Neubauten und Totalsanierungen soll Energie gespart und verdichtet werden. Gebäude können mit verschiedenen Öko-Labels zertifiziert werden, um das Nachhaltigkeits-Argument gezielt für Marketing und Wertsteigerung einzusetzen. Der Energieverbrauch pro Fläche nimmt zwar ab und die bauliche Dichte zu. Geschwiegen wird jedoch darüber, dass die neuen, reicheren Bewohner*innen halt viel mehr Wohnfläche pro Person beanspruchen. Schliesslich wird weder Energie gespart noch verdichtet. Obendrauf wird durch die Verdrängung noch mehr Verkehr erzeugt. Die Verdrängten werden zu Pendler*innen aus der Agglo. An Stelle der abgerissenen günstigen Mehrfamilienmietwohnungen stehen nun Liegenschaften mit einem höheren pro-Kopf-Energieverbrauch.
Pärke, Velowege und energieeffiziente Gebäude wären auch für uns angenehmer als Strassenlärm und Abgase, aber im Kapitalismus ist dies wenigen vorbehalten und uns generell kein gutes Leben zugedacht. Das Phänomen grüne Gentrifizierung ist Teil der aufkommenden sogenannten grünen Wirtschaft bzw. grünem Kapitalismus. Neoliberale Krisenlösungen der herrschenden Klasse funkti- onieren immer weniger. Grüne Investitionen verhelfen dem Kapitalismus zu neuen Akkumulati- onsmöglichkeiten und neuer Legitimation. Und gleichzeitig rechtfertigen sie auch die verstärkte Einschränkung des Proletariats.
Es geht hier also nicht nur um Umweltfragen, sondern um Klassenfragen. Lassen wir uns von Aufwertung mit einem vermeintlich grünen Anstrich nicht täuschen! Die Aufwertung von oben dient weder uns noch der Umwelt, sondern einzig ihrem Profit. Nachhaltige, lebenswerte Städte bekommen wir nur, wenn wir uns den städtischen Raum aneignen und die Gestaltung der Stadt selbst in die Hand nehmen.
Kreis 4
Aufwertung im Kreis 4 am Beispiel Bullingerplatz
Das Hardquartier rund um den Bullingerplatz verändert sich rasant. Die 2011 abgeschlossene Verkehrsberuhigung der Transitachse Bullinger-, Sihlfeld-, Weststrasse war ein entscheidender Schritt zur Umgestaltung des Quartiers. Anstelle der stark befahrenen Westtangente prägen nun drei umgestaltete Plätze – der Bullingerplatz, der Anny-Klawa Platz und der Brupbacherplatz – das Stadtbild im Hardquartier. Begrünte Plätze statt lautem Strassenlärm, Spielplätze statt gefährlichen Lastwägen: Diese Aufwertung ermöglicht es, Wohnungen und Gewerbeflächen teurer zu vermieten oder verkaufen. Dadurch wird die alte proletarische Quartierbevölkerung mehr und mehr vertrieben.
Die Genossenschaften ABZ (Allgemeine Baugenossenschaft Zürich) und die BEP (Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals) wollen 2022 zwei Siedlungen an der Seebahnstrasse abreissen und durch einen gemeinsamen Neubau, die Seebahnhöfe, ersetzen. Ebenfalls eine grosse Veränderung für das Quartier bedeutet der Bau des Polizei und Justizzentrums (PJZ) auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs, welches voraussichtlich 2020 bezugsbereit sein wird. Ein weiteres grösseres Projekt steckt zwar noch in den Kinderschuhen, reiht sich aber lückenlos ein in die übrige Entwicklung: die Überdeckung der Geleise zwischen Bahnhof Wiedikon und der Hohlstrasse. Anstelle der „unwirtlichen und lärmigen Verkehrsschneise“ wie die Projektinitiatoren Steff Fischer und Co den Gleisgraben abschätzig bezeichnen, soll sich zukünftig ein Park erstrecken. Eine Aufwertung welche die gleichen Veränderungen nach sich ziehen wird, wie die Verkehrsberuhigung der Westtangente: steigende Mieten und Vertreibung der alten Quartierbevölkerung.
Es ist derselbe Ablauf wie im Moment fast überall in der Innenstadt: Arbeiter_innenquartiere werden aufgewertet, die Mieten schiessen in die Höhe und die Bevölkerung wird ausgewechselt. Die BEP und die ABZ betonen bei ihren Bauvorhaben zwar immer wieder, dass sie die Bewohner_innen nicht auswechseln wollen und dass sie überhaupt viel Wert auf soziale und ökologische Verträglichkeit legen. Doch wohlgemeinte Bemühungen hin oder her: Das Projekt Seebahnhöfe ist ein offensichtlicher Teil der Aufwertung mit all ihren Konsequenzen. Das Angebot richtet sich klar an die urbane Mittel- und Oberschicht, die auch überall sonst in Aussersihl und im Industriequartier Einzug hält.
Es ist typisch, dass diese Version der Aufwertung sich betont links und fortschrittlich präsentiert: Die neuen aufgehübschten Plätze sind nach alten Sozialist_innen benannt, das Café Boy zelebriert seine linke Geschichte. An der Symbolik der Arbeiter_innenbewegung bedient man sich gerne, aber die Arbeiter_innen müssen draussen bleiben.
Das PJZ ist in dieser Entwicklung alles andere als ein Fremdkörper: Zur Aufwertung gehört auch die Politik von Recht und Ordnung. Mit jedem Neubau ein paar Überwachungskameras mehr und ein paar Nischen weniger. Die Polizei markiert in allen Aussersihlquartieren penetrante Präsenz, macht denen das Leben schwer, die nicht ins Bild passen. Die Aufwertung setzt sich nicht nur mit teuren Mieten durch, sondern ebenso mit Polizeischikanen, Rayonverboten und Personenkontrollen. Da ist es nichts als konsequent, dass sich die Polizei einen Repressionspalast mitten in die Innenstadt baut.
Die Stadt ist ein umkämpftes Feld: Das Kapital will die Profite maximieren, der Staat weitet seinen Zugriff aus. Das sind direkte Angriffe auf die Lebensbedingungen der proletarischen Stadtbevölkerung. Doch es gibt auch viele Formen des Widerstands. Ob mit Demonstrationen, Hausbesetzungen oder Mietkämpfen, solidarische Strukturen können verteidigt werden, die Aufwertung ist angreifbar.
Leisten wir Widerstand! Erkämpfen wir uns Freiräume! Wir bleiben alle!
Das Hardquartier rund um den Bullingerplatz verändert sich rasant. Die 2011 abgeschlossene Verkehrsberuhigung der Transitachse Bullinger-, Sihlfeld-, Weststrasse war ein entscheidender Schritt zur Umgestaltung des Quartiers. Anstelle der stark befahrenen Westtangente prägen nun drei umgestaltete Plätze – der Bullingerplatz, der Anny-Klawa Platz und der Brupbacherplatz – das Stadtbild im Hardquartier. Begrünte Plätze statt lautem Strassenlärm, Spielplätze statt gefährlichen Lastwägen: Diese Aufwertung ermöglicht es, Wohnungen und Gewerbeflächen teurer zu vermieten oder verkaufen. Dadurch wird die alte proletarische Quartierbevölkerung mehr und mehr vertrieben.
Die Genossenschaften ABZ (Allgemeine Baugenossenschaft Zürich) und die BEP (Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals) wollen 2022 zwei Siedlungen an der Seebahnstrasse abreissen und durch einen gemeinsamen Neubau, die Seebahnhöfe, ersetzen. Ebenfalls eine grosse Veränderung für das Quartier bedeutet der Bau des Polizei und Justizzentrums (PJZ) auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs, welches voraussichtlich 2020 bezugsbereit sein wird. Ein weiteres grösseres Projekt steckt zwar noch in den Kinderschuhen, reiht sich aber lückenlos ein in die übrige Entwicklung: die Überdeckung der Geleise zwischen Bahnhof Wiedikon und der Hohlstrasse. Anstelle der „unwirtlichen und lärmigen Verkehrsschneise“ wie die Projektinitiatoren Steff Fischer und Co den Gleisgraben abschätzig bezeichnen, soll sich zukünftig ein Park erstrecken. Eine Aufwertung welche die gleichen Veränderungen nach sich ziehen wird, wie die Verkehrsberuhigung der Westtangente: steigende Mieten und Vertreibung der alten Quartierbevölkerung.
Es ist derselbe Ablauf wie im Moment fast überall in der Innenstadt: Arbeiter_innenquartiere werden aufgewertet, die Mieten schiessen in die Höhe und die Bevölkerung wird ausgewechselt. Die BEP und die ABZ betonen bei ihren Bauvorhaben zwar immer wieder, dass sie die Bewohner_innen nicht auswechseln wollen und dass sie überhaupt viel Wert auf soziale und ökologische Verträglichkeit legen. Doch wohlgemeinte Bemühungen hin oder her: Das Projekt Seebahnhöfe ist ein offensichtlicher Teil der Aufwertung mit all ihren Konsequenzen. Das Angebot richtet sich klar an die urbane Mittel- und Oberschicht, die auch überall sonst in Aussersihl und im Industriequartier Einzug hält.
Es ist typisch, dass diese Version der Aufwertung sich betont links und fortschrittlich präsentiert: Die neuen aufgehübschten Plätze sind nach alten Sozialist_innen benannt, das Café Boy zelebriert seine linke Geschichte. An der Symbolik der Arbeiter_innenbewegung bedient man sich gerne, aber die Arbeiter_innen müssen draussen bleiben.
Das PJZ ist in dieser Entwicklung alles andere als ein Fremdkörper: Zur Aufwertung gehört auch die Politik von Recht und Ordnung. Mit jedem Neubau ein paar Überwachungskameras mehr und ein paar Nischen weniger. Die Polizei markiert in allen Aussersihlquartieren penetrante Präsenz, macht denen das Leben schwer, die nicht ins Bild passen. Die Aufwertung setzt sich nicht nur mit teuren Mieten durch, sondern ebenso mit Polizeischikanen, Rayonverboten und Personenkontrollen. Da ist es nichts als konsequent, dass sich die Polizei einen Repressionspalast mitten in die Innenstadt baut.
Die Stadt ist ein umkämpftes Feld: Das Kapital will die Profite maximieren, der Staat weitet seinen Zugriff aus. Das sind direkte Angriffe auf die Lebensbedingungen der proletarischen Stadtbevölkerung. Doch es gibt auch viele Formen des Widerstands. Ob mit Demonstrationen, Hausbesetzungen oder Mietkämpfen, solidarische Strukturen können verteidigt werden, die Aufwertung ist angreifbar.
Leisten wir Widerstand! Erkämpfen wir uns Freiräume! Wir bleiben alle!