Kreis 4
Aufwertung im Kreis 4 am Beispiel Bullingerplatz

Das Hardquartier rund um den Bullingerplatz verändert sich rasant. Die 2011 abgeschlossene Verkehrsberuhigung der Transitachse Bullinger-, Sihlfeld-, Weststrasse war ein entscheidender Schritt zur Umgestaltung des Quartiers. Anstelle der stark befahrenen Westtangente prägen nun drei umgestaltete Plätze – der Bullingerplatz, der Anny-Klawa Platz und der Brupbacherplatz – das Stadtbild im Hardquartier. Begrünte Plätze statt lautem Strassenlärm, Spielplätze statt gefährlichen Lastwägen: Diese Aufwertung ermöglicht es, Wohnungen und Gewerbeflächen teurer zu vermieten oder verkaufen. Dadurch wird die alte proletarische Quartierbevölkerung mehr und mehr vertrieben.

Die Genossenschaften ABZ (Allgemeine Baugenossenschaft Zürich) und die BEP (Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals) wollen 2022 zwei Siedlungen an der Seebahnstrasse abreissen und durch einen gemeinsamen Neubau, die Seebahnhöfe, ersetzen. Ebenfalls eine grosse Veränderung für das Quartier bedeutet der Bau des Polizei und Justizzentrums (PJZ) auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs, welches voraussichtlich 2020 bezugsbereit sein wird. Ein weiteres grösseres Projekt steckt zwar noch in den Kinderschuhen, reiht sich aber lückenlos ein in die übrige Entwicklung: die Überdeckung der Geleise zwischen Bahnhof Wiedikon und der Hohlstrasse. Anstelle der „unwirtlichen und lärmigen Verkehrsschneise“ wie die Projektinitiatoren Steff Fischer und Co den Gleisgraben abschätzig bezeichnen, soll sich zukünftig ein Park erstrecken. Eine Aufwertung welche die gleichen Veränderungen nach sich ziehen wird, wie die Verkehrsberuhigung der Westtangente: steigende Mieten und Vertreibung der alten Quartierbevölkerung.

Es ist derselbe Ablauf wie im Moment fast überall in der Innenstadt: Arbeiter_innenquartiere werden aufgewertet, die Mieten schiessen in die Höhe und die Bevölkerung wird ausgewechselt. Die BEP und die ABZ betonen bei ihren Bauvorhaben zwar immer wieder, dass sie die Bewohner_innen nicht auswechseln wollen und dass sie überhaupt viel Wert auf soziale und ökologische Verträglichkeit legen. Doch wohlgemeinte Bemühungen hin oder her: Das Projekt Seebahnhöfe ist ein offensichtlicher Teil der Aufwertung mit all ihren Konsequenzen. Das Angebot richtet sich klar an die urbane Mittel- und Oberschicht, die auch überall sonst in Aussersihl und im Industriequartier Einzug hält.
Es ist typisch, dass diese Version der Aufwertung sich betont links und fortschrittlich präsentiert: Die neuen aufgehübschten Plätze sind nach alten Sozialist_innen benannt, das Café Boy zelebriert seine linke Geschichte. An der Symbolik der Arbeiter_innenbewegung bedient man sich gerne, aber die Arbeiter_innen müssen draussen bleiben.
Das PJZ ist in dieser Entwicklung alles andere als ein Fremdkörper: Zur Aufwertung gehört auch die Politik von Recht und Ordnung. Mit jedem Neubau ein paar Überwachungskameras mehr und ein paar Nischen weniger. Die Polizei markiert in allen Aussersihlquartieren penetrante Präsenz, macht denen das Leben schwer, die nicht ins Bild passen. Die Aufwertung setzt sich nicht nur mit teuren Mieten durch, sondern ebenso mit Polizeischikanen, Rayonverboten und Personenkontrollen. Da ist es nichts als konsequent, dass sich die Polizei einen Repressionspalast mitten in die Innenstadt baut.

Die Stadt ist ein umkämpftes Feld: Das Kapital will die Profite maximieren, der Staat weitet seinen Zugriff aus. Das sind direkte Angriffe auf die Lebensbedingungen der proletarischen Stadtbevölkerung. Doch es gibt auch viele Formen des Widerstands. Ob mit Demonstrationen, Hausbesetzungen oder Mietkämpfen, solidarische Strukturen können verteidigt werden, die Aufwertung ist angreifbar.

Leisten wir Widerstand! Erkämpfen wir uns Freiräume! Wir bleiben alle!



2017 — Frogtown, Los Angeles